Geschichten mit Humor und Hintersinn

Sonntag, zur besten Nachmittagsstunde, war der Musikkeller der Kulturfabrik gut gefüllt. Dank des zum Teil aufgegebenen Regelwerkes war es möglich geworden, kurzfristig weiteren Gästen den Weg in die Kulturfabrik zu ermöglichen – denn Wladimir Kaminer hatte sein Kommen zugesagt und war in jedem Falle bestrebt, sein Programm, seine Sicht auf die Dinge, in seiner unbeschreiblich humoristischen Art mit Gestik und Mimik zum Besten zu geben. Noch vor Beginn war das Management allerdings etwas in Aufruhr geraten, da der Künstler noch nicht vor Ort war. Man machte sich Sorgen, ob etwas passiert sein könnte. Im Nachhinein klärte sich alles. Er musste die Fahrt mehrmals unterbrechen, weil mit der derzeitigen Lage in der Ukraine viele Sender seine Meinung zu diesem Konflikt wissen wollten. Er entschuldigte sich bei seinen Gästen, die das gut verstanden und seiner Haltung, sein Wissen preiszugeben, Respekt zollten.

Mit einer Reise bis in den letzten Winkel Deutschlands erforschte er das Land und die Leute, die kaum wiederzuerkennen sind. Der schöne geordnete Alltag steht plötzlich Kopf. Statt das Verrückte im normalen Leben zu entdecken, beobachtet er nun eine Normalität, in der alles verrückt ist: Weihnachten ohne Märkte, Kreuzfahrten ohne Landgang und Pfeile am Boden, die uns den Weg durch eine veränderte Welt weisen sollen. Da braucht man jemanden, der einen zwischendurch zum Lachen bringt. Mit Wladimir Kaminer war das an diesem Nachmittag überhaupt gar kein Problem, stehend am Tisch las er aus einem noch nicht veröffentlichten Manuskript für sein Buch, das unter dem Titel „Wie sag ich es meiner Mutter“ veröffentlicht wird. In diesem Buch schreibt er über den Bruch zwischen Alt und Neu der Bruch in der Gesellschaft. Inhaltlich geht es um seine Kinder, die die Großmutter auf die Neue Welt vorbereiten. Seine Kinder stehen den neuen Themen der Welt sehr aufgeschlossen gegenüber, sind der Energiewende und dem gewachsenen Umweltbewusstsein sehr zugänglich. Und nun versuchen die Enkelinder, wie es Wladimir Kaminer sagte, die 90 Jahre alte Großmutter zu überzeugen, ihr Verhalten zu ändern. Er las das letzte Kapitel seines Buches vor, das sich damit beschäftigt. Es war eine Aneinanderreihung von Verquickungen und Aussagen sowie Sichtweisen, wie sie wohl nur Kaminer mit seinem wohlklingenden Akzent in dieser Form  vortragen konnte.  

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