Sie warfen sich in die Brust wie der Spatz in die Pferdeäppel. Nicht nur die Parteien der Kanzlerkandidaten sowie diese selbst – nein, auch die ganz Kleinen verballerten ein Gutteil ihrer staatlich garantierten Parteienfinanzierung. Sie alle verbindet die eine Hoffnung, nämlich die auf das hundsmiserable Gedächtnis der Wählenden. Anders ist der ganze Zirkus, der vor allen Wahlen einem immer gleichen Ritual folgt, wohl kaum zu erklären. Statt einmal in Ruhe in sich zu gehen, darüber nachzudenken, wer was in den letzten Jahren was durchgesetzt hat, oder wer im gleichen Zeitraum was zu verhindern wusste. Das strengt an, trotz des langen und guten Gedächtnisses des Internets. Triell-Gucken ist freilich viel einfacher und dazu noch in Maßen unterhaltsam. Und – das ist außerordentlich bedeutsam – es ist mal ausnahmsweise tatsächlich keine Wiederholung, die im Fernsehen, speziell in den Öffentlich-Rechtlichen, läuft.

Wir haben uns das trotzdem nicht angetan, mein Oller und ich. Mehr als ein paar Minuten hielten unsere Nerven nie stand. Erst recht nicht, als es den Anschein gab, dass die beiden Ö-R-Moderatoren ebenfalls die Bühne für eine Art Duell untereinander zu nutzen schienen.

Uns reicht die tägliche Politik völlig aus, die Einnahme von blutdrucksenkenden Mitteln nachdrücklich zu erfordern. Nehmen wir bloß mal das derzeitige Reizwort „Demokratie“. Wohlan, ich gehe wählen und ich käme nie auf die Idee, wen auch immer „Hängen“ lassen zu wollen. Nicht auf Plakaten, nicht auf Demonstrationen an selbstgebastelten Galgen. Wenngleich das gesellschaftsfähig scheint und rechtsstaatlich offenbar gedeckt ist. Aber es stimmt mich bedenklich. Wenn ein Volksverhetzer, den man mit richterlicher Bestätigung „Nazi“ nennen darf, eine Stimme desselben Gewichts hat wie die jedes anderen Bürgers, dann muss zumindest der Verdacht erlaubt sein, dass die Demokratie noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Wer sich so äußert, gerät unter Verdacht, eine heilige Kuh schlachten zu wollen. Dann muss aber auch die Frage erlaubt sein: warum die Stigmatisierung mancher Partei, ob nun Rot, Braun oder Blau? Wenn sie Wählerstimmen bekommen, gelten sie dann nicht automatisch als demokratisch legitimiert? Bloß gut, dass ich kein Bürgermeister von Grünheide bin!

Freude bereitete mir auch eine Grüne aus Oder-Spree, die meinte, man brauche keiner Eiche, die von einem Biber gefällt wird, nachzuweinen. Es wäre „Natur“. Bei der zurzeit herrschenden Klimahysterie ist jeder Verlust eines Baums etwas Schlimmes. Bitte nicht falsch verstehen: Der Klimaschutz ist ohne Zweifel ebenso wichtig wie die Einhaltung des deutschen Reinheitsgebotes beim Bier. Mindestens. Wenn einer aber feststellt, dass Brandenburg versteppt, und es fünf vor zwölf sei und deshalb hier am liebsten alles, was hierzulande an Verbrennungsmotoren läuft, verdammen möchte, dann nenne ich das Hysterie. Das Klima wird ganz sicher nicht allein in und von Deutschland gerettet – schon gar nicht in Brandenburg. Klimakiller Nummer Eins ist zweifelsohne „Made in China“, bildlich gesprochen. Oder Äpfel und grüne Bohnen aus Argentinien, hier bei uns wird schön sauber konsumiert, was andernorts schön dreckig produziert wird. Oder was auf dem Transport hierher nach Europa ordentlich Schweröl auf den Containerriesen der Meere verbrennt. 

„Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ funktioniert halt nicht. Brandenburg versteppt, weil man in Deutschland den Anschluss an die wichtigsten Schlüsseltechnologien verpasst hat. Oder aus Gewinnstreben verpassen wollte. Vom Computerbaustein über Klamotten und Kinderspielzeug bis hin zu Medikamenten. Das werden wir alle ausbaden. Die einen ersaufen im steigenden Meeresspiegel, die anderen versteppen. Wir werden alle lernen müssen, zu verzichten und dass stetiges Wachstum ein Grund allen Übels ist. Genug der Predigt. Bringt doch nichts, solange den Leuten das Hemd näher ist als der Rock. Übrigens waren mein Oller und ich schon wählen, im kleinsten Wahllokal der Welt, im Briefkasten. Rechtzeitig. Der ganze Rummel konnte einem so ruhig gestohlen bleiben. Noch besser freilich wäre es, finge der nächste Wahlkampf gleich nach der Wahl an.

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